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Patrizia Majowski

InterviewPatrizia MajowskiJahr2023Share

Patrizia Majowski betreut als Fluss-Rangerin 90 Flusskilometer entlang des bayerischen Teil des Lechs. Ihre Hauptaufgaben umfassen dabei zum einen die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung, aber auch praktische Arbeiten wie Landschaftspflege und Monitoring gehören dazu. Ihr Ziel ist es, die lokale Bevölkerung für die einzigartige biologische Vielfalt am Lech zu begeistern und für Schutzmaßnahmen zu sensibilisieren.

Mein Interesse gilt vor allem den Renaturierungsmöglichkeiten für den Lech. Und das rührt daher, dass ich sehe, wie der Lech aussieht. Er ist bereits jetzt nur eine Stauseen-Kette, ein Hybrid-Gewässer. Das heißt, es ist eine Mischung aus stehendem Gewässer und teilweise kurz fließendem Gewässer. Aber wenn man sich als Beispiel die schönste Stelle am deutschen Lech ansieht – die Litzauer Schleife – dann sagen viele: “Oh wie schön, Natur!” Darauf sage ich immer: Ja, aber diese Natur ist kaputt. Es gibt keine funktionierenden Kiesbänke mehr, es gibt keine schütter bewachsenen Bereiche, keine Tamariske mehr – also keine funktionierenden Landschaften einer Wildflusslandschaft. Aufgrund der Staustufen gibt es keine Dynamik mehr im Fluss, er kann kein Geröll mehr transportieren.

Das führt dazu, dass vieles zuwuchert, das Flussbett verschlammt und verfestigt wird. Dadurch können viele Kieslaicher-Fische wie Huchen, Barbe oder Esche nicht mehr ablaichen. Die Fischer müssen also neues Kies einbringen. Ihr seht schon, das ist sehr komplex. Aber auch der Grundwasserspiegel sinkt deswegen ab.

Außerdem erwärmt sich das Flusswasser auf so hohe Temperaturen, dass Fischarten wie die Esche dort gar nicht mehr überleben öffnen. Dazu kommt natürlich noch, dass die Fische nicht wandern können wegen der Staudämme.

Frech gefragt: Wieso ist es denn ein Problem, wenn es keine Esche gibt?

Vielleicht ist das nur ein Problem, wenn das Ziel ist, einen naturnahen Fluss zu haben und nicht, wenn das Ziel ein Hybrid-Gewässer ist. Da ist die Frage eben, was das Ziel ist.

Und können wir mit einem Fluss leben, der keine Eschen mehr hat? Können wir damit seine Dienstleistungen noch bekommen? Funktioniert er so, dass wir Trinkwasser bekommen, dass wir einen CO2-Speicher haben, dass der Fluss nicht Methan ausgast und so weiter? Wie sieht so ein Fluss aus und ist das unser Fluss für die Zukunft? Und wenn man all das bedenkt, fragt man sich auch nach der Bilanz von Wasserkraft, denn die ist ja erst mal ökologisch. Aber wie ist die Bilanz wirklich?

Wenn der Lech so ein Infrastrukturprojekt ist, kann man ihn überhaupt noch als lebendigen Fluss bezeichnen?

Natürlich ist der Lech immer noch lebendig! Denn es gibt immer noch Stellen, wo er fließt und es gibt immer noch Besonderheiten, die wir erhalten müssen. Für mich ist das Ziel, dass man den Lech geschiebedurchgängig machen würde – er also wieder Geröll transportieren könnte. Dafür gibt es verschiedene Lösungsansätze.

Du arbeitest viel an Mediation und führst Workshops mit Schulkindern durch. Wie kann man denn diese sehr komplexen Themen, die wir jetzt besprochen haben, greifbar machen?

Ich finde, ein guter Einstieg ist immer die Frage: Woher kommt euer Trinkwasser? Viele Gemeinden hier bekommen das nämlich aus dem Lech, teilweise sogar in Franken, obwohl der Lech dort gar nicht hinfließt. So schafft man einen Bezug zum Fluss.

Das schafft natürlich aber auch ein sehr einseitiges Bild vom Fluss. Ich verwende den Fluss als Transportvehikel, ich kriege dort Wasser her, ich nutze ihn zur Stromproduktion und ich gehe dort baden – das war’s. Wie kann man denn in Workshops ein anderes Bewusstsein schaffen für Flüsse?

Ja, das Problem ist, dass man den Fluss oft durch diese Brille sieht, also aus der Sicht des Menschen. Aber er repräsentiert ja auch eine Gemeinschaft von Lebewesen. Und das ist schon sehr schwer zu vermitteln. Wenn ich auf der Flussbank kartiere und Menschen zum Beispiel mit dem Kanu auf den Kies wollen, versuche ich zum Beispiel zu erklären, dass hier gerade ein Vogel brütet. Diese Sicht dann aber auszuweiten und zu vermitteln, dass es jetzt nicht nur um einen einzelnen Vogel geht, ist schwierig. Der Vogel steht ja stellvertretend für einen Lebensraum, der Nahrung und Schutz bietet, und das will ich ja beschützen.

Beim Thema Naturschutz ist ja auch die Frage, welche Handlungsoptionen gibt es denn?

Naturschutz hat auch viel mit Verzicht zu tun. Man muss auch akzeptieren, dass man nicht alles machen darf. Wichtig ist auch, dass man die Sinnhaftigkeit dieses Schutzes versteht. Warum ist der Schutz denn hier nötig? Da müssen wir auch einmal unsere Grenzen akzeptieren und dass wir eben auch ein Teil dieses Lebensraumes sind. Ich weiß, dass das nicht leicht fällt. Aber ja, das zu verstehen ist sehr wichtig.

Was würdest du denn gerne Menschen, die sich für Flüsse einsetzen wollen, mitgeben?

Ich würde ihnen gerne sagen, dass jede Krise eigene Chancen mit sich bringt. Und dass man neben dem ganzen Engagement auch mal das Leben genießen darf. Ich kenne viele Menschen mit aktivistischem Hintergrund und ich sehe oft, wie belastend das oft für sie ist.

Man kann nicht immer alles gut machen und das muss man auch akzeptieren. Klar, es ist auch nicht immer alles gut. Aber wenn man sich viel auf das Schlechte konzentriert, dann kann man irgendwann nicht mehr aktiv sein. Das würde ich gern mitgeben.

Zum Schluss noch eine kleine Frage: Was ist denn dein Lieblingsfluss?

Einfach der Lech!

Im Fluss • Ein Handbuch

Ein Handbuch für Flussbegeisterte, und alle, die es werden wollen

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